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Horizontalsperre bei der Kellertrockenlegung - Tips bei der Auswahl


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Hallo,

wir haben letztes Jahr eine Reihe von "Experten" in unser Haus einbestellt, da der Keller feucht war.
Ehrlich gesagt, hab ich noch nie so viel Flunkerei auf einen Haufen erlebt, was auch der Anlass für dieses Posting ist. Ich kann jedem, der das gleiche Projekt vor hat nur dazu raten verschiedene Firmen einzuladen und vor allem den eigenen Kopf anzuschalten, denn sonst wird man schnell Opfer windiger Geschäftemacher.

Problem 1 - Jeder erzählt einem etwas anderes:
Wenn man 5 Experten einlädt, dann hat man am Ende oft 5 verschiedene Meinungen und Messergebnisse.
Die einen behaupten, dass eine reine Horizontalsperre ausreicht, ohne überhaupt irgendeine Messung durchgeführt zu haben. Da fragt man sich jedoch, warum Innenwände viel trockener sind als seitlich erdberührte Wände. Braucht man da nicht vielleicht doch auch eine Vertikalabdichtung der Aussenwände?
Bei anderen sind die Wände zu fast 100% gesättigt, während eine dritte Partei ganz andere Werte misst. Nach abgeschlagenem Putz konnte man sehen und fühlen, dass eben nicht überall 100% Durchfeuchtung vorlagen.
Firma A präsentiert wundervoll die Arbeitsweise ihrer Horizontalsperre, während Firma B (die früher bei Firma A gearbeitet hat) einen dann sehr schön die Verkauftstricks und Betrügereien von Frima A verrät.

Problem 2 - Keine Standards:
Es gibt leider scheinbar keine Standards zur Messung von Feuchtegehalt der Wand und deren Salzgehalt. So dass es schwer ist überhaupt erstmal ein objektives Bild des Ist-Stands zu bekommen.

Problem 3 - Selbst auf Prüfstellen und Prüfsiegel kann man sich nicht verlassen:
Dies hat wohl am meisten mein Vertrauen erschüttert und war auch Auslöser für dieses Posting.
Es gibt ja ohnehin nicht viele vergleichende Prüfungen für Horizontalsperren, was die Auswahl ohnehin schon schwierig macht. Wer danach sucht, wird wahrscheinlich auf die WTA stossen:
http://www.wta.de/de/leistungsangebot/wta-...jektionssysteme

Dort wird unter anderem auch das Produkt VEINAL VSS 1-90 der Schuster GmbH aufgelistet, hat also die WTA Anforderungen erfüllt und darf sich mit dem Prüfsiegel schmücken. Geworben wurde daher auch mit "100% Wirksamkeit (im Mittel 99%)".
Nun habe ich mir, wie bei anderen Produkten auch, mal den Prüfbericht zusenden lassen. Dies empfehle ich jedem, der sich für ein Produkt festlegen will, denn diese Prüfungen werden nicht wirklich für alle Produkte nach dem gleichen Schema durchgeführt (auch wenn die WTA Eckpunkt vorgibt) und sind daher schwer vegleichbar.
Dieser Prüfbericht für Veinal wurde von der RWTH Aachen erstellt - ein Name mit dem ja eigentlich eher gutes wissenschaftliches Arbeiten verbindet.

Bei dieser Prüfung wurden zwei Prüfkörper (Mauerstücke) mit dem Mittel Veinal behandelt und ein Referenzprüfkörper nicht. Dann wurde verglichen, wie die Durchflussrate sich bei den behandelten Prüfkörpern im Gegensatz zu dem unbehandelten Referenzprüfkörper entwickelt. Im Prinzip ja ein guter Ansatz.
Ein Problem bei dieser Prüfung war schon mal, dass man bei nur zwei behandelten und einem unbehandelten Prüfkörper viel zu schnell sein Urteil auf Grundlage eines statistischen Ausreisers fällen kann, den bei dieser geringen Anzahl ist keine Durchschnittsbildung möglich.
Das viel größere Problem ist die WTA Vorgabe "3.2.4.6 Beurteilung der Wirksamkeit" im WTA-Merkblatt (kostenpflichtig bestellbar). Dort steht:

"Der Vergleichswert des Referenzprüfkörpers wird nach einer Prüfdauer von 60 Tagen nach Beginn der Wirksamkeitsprüfung ermittelt."

und weiter:

"Die Wirksamkeit des geprüften Injektionsstoffes gilt als nachgewiesen, wenn die beiden folgenden Kriterien erfüllt sind:
1 Verdunstungsmenge, Feuchtegehalt oder Wasserdurchlass der injizierten Prüfkörper sind 90 Tage nach Beginn der Wirksamkeitsprüfung gegenüber dem Referenzprüfkörper um mindestens 50 % reduziert.
"

Also: Referenzprüfkörper nach 60 Tage messen und behandelte Prüfkörper nach 90 Tagen?!
Genau dies führt beim Veinal Prüfbericht dazu, dass Äpfel mit Birnen verglichen werden und nur dadurch das schöne Prüfergebnis herauskommt. Denn in einer hübschen Tabelle steht:
Referenzmauerwerk (Bezugswert nach 60 Tagen): 143 ml/m²*d
Injezierte Mauer (90 Tage) : 2 ml/m²*d
-> Reduktion gegenüber der Referenz: 99%

Von den Zahlen her ja soweit richtig. Wenn man sich allerdings den gesamtlichen zeitlichen Kurvenverlauf auf der letzten Seite des Prüfberichts ansieht, dann stellt man fest, dass die Durchlassrate des unbehandelten Referentzprüfkörpers sich die ganze Zeit eigentlich ähnlich zur Durchlassrate der zwei behandelten Prüfkörper verhalten hat und zeitweise sogar unter deren Wert lag!
Der Vergleich 143 ml vs. 2 ml kommt eben nur zustande, weil man zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten misst.
Aus dem Kurvernverlauf erkennt man in etwa folgende Werte für die Durchlassrate:
Tag 60:
Referenz : 143
behandelt 1: 124
behandelt 2: 120

Tag 90:
Referenz : 15
behandelt 1: 2
behandelt 2: 2

Wenn man also alle drei Prüfkörper immer am selben Tag verglichen hätte, dann kämen eben keine 99% Reduktion der Durchlassrate heraus, sondern am Tag 60 vielleicht 15-20% Reduktion!

Die nächste große Frage: Warum sinkt die Durchlassrate des unbehandelten Prüfkörpers? Wenn die Durchlassrate ohnehin von ganz alleine sinkt, wozu brauch ich dann eine teure Horizontalsperre?
Diese Fragen hab ich auch an die RWTH Aachen gesendet. Hier die Antwort:
"
Sehr geehrter Herr C.,

ich freue mich darüber, dass Sie unseren Prüfbericht so kritisch gelesen haben. Sie haben direkt den "wunden Punkt" des Verfahrens entdeckt.

Alle Probekörper standen während der Versuchsdauer immer im Wasser. Die Abnahme der Durchlassrate bei der Referenz über die Versuchsdauer haben wir bereits sehr häufig gemessen. Die Ursachen diskutieren wir ebenfalls seit Beginn der Untersuchungen.

Der Versuch beruht auf einem vertikalen Wassertransport durch das Mauerwerk. Irgendwo im Mauwerk haben entsteht dabei die Verdunstungsebene. Durch den Wassertransport bis zur Verdunstungsebene werden auch Salze transportiert, die sich in der Verdunstungsebene ablagern und dort das Probengefüge abdichten. Dadurch reduziert sich in allen Körpern die gemessene Durchlassrate. Die Mauerwerke sind zum Zeitpunkt der Untersuchung etwa 3 Monate alt. Durch die fortschreitende Hydratation des Mauermörtels verdichtet sich das Porengefüge ebenfalls mit zunehmender Messdauer. Diese beiden Einflussgrößen liegen beim realen Mauerwerk nicht vor. Somit können Sie sich die Horizontalsperrre vermutlich nicht sparen.

Wir arbeiten nach wie vor noch an einem verbesserten Prüfverfahren, aber bisher besteht hierüber im WTA-Arbeitskreis noch keine Einigung.

Mit freundlichen Grüßen,

J. O.

"

Aha, irgendwie wissen alle, dass das Prüfverfahren in dieser Form seine Macken hat und somit eigentlich gar keine aussagefähigen Ergebnisse liefert, aber trotzdem ziehen alle ihre Schlüsse daraus und vergeben fleissig Prüfsiegel.
Der Prüfbericht ist von 2005 und meine Nachfrage von 2010. Da wurde also in 5 Jahren keine Lösung gefunden und eine Nachprüfung durchgeführt?
Die RWTH Aachen musste das Problem aus wissenschaftlicher Sicht sofort entdecken sollen und hätte damit in meinen Augen den Prüfbericht nicht in der Form abgeben dürfen. Unter Punkt 3.5 wurden nur erklärt, dass die WTA-Kriterien erfüllt sind. Kein Wort über die bekannten methodischen Probleme.
Die WTA hat dann den Prüfbericht nochmal gecheckt, kennt scheinbar auch die Probleme und vergibt trotzdem das Zertifikat.

Ich könnte mir vorstellen, dass Veinal vielleicht sogar funktioniert. Mit der oben genannten Prüfung konnte dies aber auf alle Fälle nicht nachgewiesen werden.

Ich habe diesen Sachverhalt auch der Schuster GmbH und der WTA per eMail kundgetan. Von beiden Seiten kam keinerlei Antwort!
Dies war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und ich mir sagte: Hier musst Du andere Personen warnen.

Am Ende bleibt also dem Laien nur übrig sich diverse Firmen ins Haus zu holen, muss deren Arbeitsweise vergleichen und sich die Prüfberichte zukommen lassen und aufmerksam lesen.
Wir haben uns dann am Ende für Crisin von Köster entschieden, denn zum einen war deren kostenlose Untersuchung unserer Mauer am besten. Die Köster Mitarbeiter waren die einzigen, die die Wand zur Feuchtemessung das Mauerwerk angebohrt und nicht nur oberflächlich geprüft haben. Ausserdem haben wir nach Prüfung im Labor einen Bericht zur Salzbelastung erhalten. Der Prüfbericht von Crisin war auch vertrauenserweckender, da dort z.B. wesentlich mehr Prüfkörper verwendet wurden.
Die Injektionen sind jetzt seit 1-3 Monaten in der Mauer und scheinen soweit erstmal ganz gut zu funktionieren. Eine zusätzlich angebrachte vertikale Sperre der Aussenmauern hat auch schon sichtbaren Eefolg gebracht. Mal schauen was die Langzeitbeobachtung zeigen werden.

Mein abschliessender Tip: Vor der Wahl eines Anbieters/Mittels erstmal Hirn einschalten, aufmerksam prüfen und nicht gleich dem Erstbesten vertrauen.
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