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Bohrbericht: Comacchio MC 600, Vollhydraulisches Bohrgerät


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Bohrbericht: Comacchio MC 600, Baujahr 2005 (Überlagerungsbohrverfahren)


Einleitung:

Bevor es ans Eingemachte geht, erlaube ich mir mich kurz vorzustellen. Mein Name ist Romano Cavatorta. Ich habe vor über 20 Jahren eine Lehre als Tiefbauzeichner absolviert und bin seitdem im Spezialtiefbau tätig, wo ich Ausbildungen zum Grundbauer und vor ca. 10 Jahren zum Grundbaupolier abgeschlossen habe. In meiner Karriere war ich in verschiedenen Unternehmen tätig wo ich immer wieder Maschinisten begegnet bin die über diverse Bohrgeräte negativ urteilten. Das Problem dabei war, das über die hälfte dieser Männer vom Bohren selbst nicht viel verstanden haben.
Ich selbst bin ein typischer "Ankerböhreler" und habe unzählige Bohrmeter (vorwiegend im Überlagerungsbohrverfahren) in den verschiedensten und prekärsten geologischen Verhältnissen abgeteuft. Aktuell bin ich mit einer Comacchio MC 600, Ausgestattet mit Hydraulikhammer Eurodrill HD 4008 im Einsatz.

Erklärung:

Der Grund diesen Bericht zu verfassen ist mir selbst nicht gänzlich klar. Es ist irgendwie ein Mitteilungsbedürfnis das sich mir aufgedrängt hat und die Destination selbst ist eigentlich auch nicht definiert. Alle Menschen, vor allem natürlich die aus dem Bohrbusiness selbst sind Eingeladen. Ich erläutere in diesem Bericht einzig und allein aus meiner Sichtweise.
Um meine Art und Weise zu Urteilen ein wenig verständlicher zu machen, nehme ich das Fazit dieses Berichtes gleich vorne weg.
Ich kenne 2 Arten von Bohrgeräten. Zum einen sind das die sogenannten "Kellerbohrgeräte", extrem kompakt gebaut mit einem Gewicht von ca. 3,5 to (z.Bsp. KR 701) um in den unzugänglichsten Orten dennoch die schwierigsten Bohrlöcher abteufen zu können. In diese Gruppe der Bohrgeräte setzte ich auch sämtliche "Leichtbau Geräte", also sprich Bohrlaffetten die von Manneskraft an den Bohransatzpunkt gebracht werden können.
Zum anderen sind das typische "Ankerbohrgeräte" mit einem Einsatzgewicht von ca. 16 bis 19 to und einer Rückzugkraft von ca. 10 to.
Alle anderen Bohrgeräte, unbeachtet deren Herkunft und dessen Hersteller die zwischen diesen beiden Gewichtsklassen liegen, klassifiziere ich als "PARASITEN"! Ein Hydraulisches Raupenbohrgerät "muss" mindestens über 15 to Eigengewicht haben um erfolgreich sämtliche Drehschlagbohrungen (d 101 bis 178) durchführen zu können.

Kommen wir nun zur Comacchio MC 600..., 8 to Einsatzgewicht, Rückzugkraft 4,5 to. Das Gerät ist sehr Kompakt gebaut und wird zu 70% über eine Funkgesteuerte Fernbedienung bewegt.

Starten:

Wie jeden morgen in der früh starte ich das John Deere Aggregat. jetzt Aktiviere ich die Fernbedienung damit ich zum aufwärmen der Maschine die Rotation betätigen kann. Jedes mal wenn ich den Startknopf auf der Fernbedienung drücke ertönt ein lautes Hupsignal. Wahnsinn..., das Maschienchen steht vor mir und hupt mich an. Wozu? Will es der Baustellen Belegschaft und den Anwohnern etwa sagen..., "Achtung, ich Bohre gleich!"!?! Also ich kann nur hoffen das eine Italienische Gesetzgebung für dieses Akkustische Warnsignal verantwortlich ist. In meinen Augen.., oder besser gesagt Ohren, ist das ein Witz!
Nachdem das System auf Betriebstemperatur gebracht ist, möchte ich den Motor auf volle Drehzahl bringen. Dafür habe ich drei möglichkeiten. Beim Zündschloss befindet sich ein Drehregler um die Drehzahl elektronisch gesteuert zu steigern..., den identischen Drehregler finden wir ein wenig weiter Links noch einmal..., desweiteren kann ich die Motorendrehzahl ebenfalls via Fernbedienung mittels eines Tipphebelschalters betätigen. Ich habe also an dem Bohrgerätchen sage und schreibe "3" Steuerungen um den 4-Zylinder auf Touren zu bringen und jetzt kommts..., "KEINE Funktioniert"!!! Keine der 3 Steuerungen reagiert in einer akzeptablen Zeit. Meistens erfordert es ein hin und her tippen bis dann endlich einmal etwas geht. Wo sind die guten alten Zeiten geblieben wo 1 einziger Kabel Gaszug immediat das Diesel Aggregat auf Volllast gebracht hat!?! Also wirklich Benutzerunfreundlicher gehts nicht. Hinzu kommt das die volle Drehzahl oft nicht erreicht wird.

Einrichten:

Die Kinematik ist für ein Gerät dieser Dimension beeindruckend. Nur der Hauptausleger kann zu wenig Tief abgesenkt werden..., dies überbrücke ich mit dem Pendelfahrwerk falls es nötig werden sollte. Extreme Auslegungen erfordern zusätzliche Fussabstützung.
Die fehlenden Hydraulikpumpen werden mittels Umstellhebel (Bohren/Positionieren) manipuliert. Auf dem Fahrwerk herrscht viel zu wenig Power! Absolute Vorsicht ist beim Umsetzten des Gerätes erforderlich..., bloss ein bisschen Kies in den Zahnantrieben kann das manövrieren zum Stillstand bringen. Insgesamt ist das Einrichten etwas Zeitaufwendig aber ansonsten in Ordnung.

Bohren: (Technisch)

Als Beispiel nehme ich eine Rückverankerte Spundwand. Die Kraftaufnahme der Anker erfolgt üblicherweise über eine Longarine (z.Bsp. 2 UNP). das bedeutet das ich auf einen Litztenüberstand von ca. 1.30m achten muss. Wenn eine DMD eingebaut wird so bin ich bereits bei einem Litztenüberstand von 1.50m.
Nach erfolgtem Einbau und Mantelinjektion des Ankers bauen wir die Bohrrohre aus. Die Brechvorrichtung bringe ich für diesen Arbeitsabschnitt also mindestens 1.60m weg von der Spundwand. Ein schwieriges Unterfangen bei einem Zylinderhub von 80cm! Spätestens jetzt vermisse ich alle meine 17 to Ex Freundinnen!!!
Um den Rohrausbau zu erleichtern muss man zu Bohrbeginn das Gerät genug weit von der Wand weg stellen was einem zwingt das Bohrloch im (ich nenne das so) "freien Fall" abzuteufen also sprich "ohne" Mastabstützung!
Die Nutzlängen auf den Laffetten sind generell bei Parasiten zu klein und sobald du grössere Laffetten mit anständigen Nutzlängen aufbaust wird das Trägergerät wieder zu instabil, vorallem wenn der Hammer ganz aussen Gefahren wird.
Das Abteufen der Bohrung selbst, muss optimal gestaltet werden und auftretende Mantelreibung sollte immer sofort abgebaut werden da man schliesslich später gezwungen wird die Bohrrohre ohne Mastabstützung zu ziehen. Einmal aus der Bohrachse gekommen wird, es schwer wieder den optimalen Fluss zu finden.
Summasummarum, ein Schweres Bohrgerät das vielleicht im ersten Augenschein eindrücklich wirkt und für einen Neuling eventuell sogar Respekt einflössend scheint, ist für einen Anfänger der das Bohren erlent "1000" mal geeigneter als ein Parasit!
Die MC 600 verzeiht während des Bohrvortriebs bis zum Schluss des Rückzugs der Verrohrung "Keine Fehler"!

Bohren: (Bedienung)

1 Vorschub: Unmittelbar Links vom Vorschubhebel ist der Hebel für den Verschiebeschlitten.
Einmal versehentlich kurz angetippt Bohrt man aus der Bohrachse. Das EE lässt
grüssen! KRIMINELL

2 Rotation: Der Knopf zum umstellen vom 2. in den 1. Gang und zurück befindet sich auf
dem Grundgerät. Ich habe zum Abbohren sämtliche Funktionen auf der
Fernbedienung und genau der.., einer der wichtigsten, kann ich nicht von meinem
Steuerpult aus betätigen. Dies ist einer der grössten Konstruktionsmängel die
dieses Gerät hat!

3 Hammer: Eine weitere Spielerei ist die Frequenz verstellbarkeit des Hammers. Ich habe
die möglichkeit den Hub des Schlagbolzens so zu verstellen das er mehr Weg
zurücklegt und somit mehr Energie auf das EE bringt. Wozu? Ich habe max. 4,5
to Rückzugkraft also bringt mich ein "brachiales auf die Rohre hauen" auch nicht
weiter!

4 Generell: Es herrscht sehr viel Elektronik in dem Gerät. Dieses Gerät hatte sich bei
ausgeschalteter Fernbedienung schon mal "Selbstständig" gemacht und ist
einfach drauf los gefahren! Das ist schon beängstigend. Zur Zeit macht sich die
obere Klemmbacke der Brechvorrichtung oft Selbständig. Der Schnellvorschub
streikt auch des öfteren. Zum Thema Arbeitssicherheit sind solche Ereignisse
schon etwas bedenklich und während des Arbeitens generell ermüdend. Auch für
die Mechaniker ist die Fehlersuche die reinste Tortur.
Das absolute "no go" ist der Dieseltank! Viel zu klein. Ein wenig Schieflage und
der Ansaugschlauch zieht schon wieder Luft.


Statement:

= Für vertikale Bohrungen ist die MC 600 recht gut geeignet.
= Für geneigte Bohrungen mit relativ geringen Bohrtiefen (z. Bsp. Vernagelungen) ist die
MC 600 vielseitig einsetzbar und zufriedenstellend.
= Für geneigte Bohrungen mit zuhnehmenden Bohrtiefen und schwierigen Geologischen
Verhältnissen ist die MC 600 nicht empfehlenswert.

Anhang:

Das Überlagerungsbohrverfahren hat in seiner Entstehung 3 Meilensteine erlebt. Zum einen den Hydraulischen Schlaghammer..., zum anderen den Doppelbohrkopf und die grösste Revolution war die Brechvorrichtung. Vor ca. 22 Jahren waren die Klemm KR Bohrgeräte die in die Schweiz geliefert wurden mit diesen Errungenschaften ausgestattet. Seither ist technologisch gesehen eigentlich nicht mehr viel passiert und ich glaube kaum das sich das in den kommenden 20 Jahren ändert.
Deshalb bleibt mir nur noch ein Appell an die Maschinenhersteller. Bitte verbaut weniger Elektronik in den Bohrgeräten.., gestaltet sie benutzerfreundlich und verarbeitet sie solide!

Februar 2011 Cavatorta Romano
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