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Hochwasserrückhaltebecken Wolterdingen - Dammbauprojekt


Bauforum24

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Der Klimawandel lässt sich nicht wegdiskutieren. Damit einher gehen veränderte Niederschlagsbedingungen für ganz Europa. Die anhand der alten Klimamodelle erstellten Berechnungen für die schlimmsten in 100 Jahren denkbaren Hochwässer wurden von der Realität mittlerweile gleich mehrfach übertroffen. Flussbegradigungen der letzten 200 Jahre sowie das Vordringen von Neubaugebieten in Überflutungsareale haben die Problematik weiter dramatisiert.

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4,00 Meter auskragende Stützböcke

Das verheerende Hochwasser von 1990 hatte das Land Baden-Württemberg zum Anlass genommen, 1992 das Integrierte Donau-Programm (ITP) ins Leben zu rufen, das Ökologie und Hochwasserschutz verknüpfen sollte. Die Hochwasser von 1993 und 1994 unterstrichen diese Bedeutung drastisch. Über 200 (vor der Finanzkrise) geplante und begonnene Projekte für Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser werden in den nächsten Jahren etwa 900 Millionen Euro erfordern.

2006 war dann der Spatenstich für das Hochwasserrückhaltebecken Wolterdingen, das im Moment das größte im Bau befindliche Dammbauwerk in Mitteleuropa ist.

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Die bis zu 85 kN/m² Frischbetondruck aufnehmende Systemschalung Athlet gab den bis zu 1,75
Meter dicken Wänden Halt
.

Wie können die Anrainer der Donau besser vor Hochwasser geschützt werden? Vor allem, indem man die kräftigsten Nebenflüsse bändigt. Die bescheiden und nicht viel größer als ein Dorfbach anmutende Breg, die bei Donaueschingen zusammen mit der Brigach die Donau bildet, hat mit 183 Quadratkilometern allerdings ein sehr großes Einzugsgebiet im Naturpark Südschwarzwald und ist daher besonders anfällig für Hochwasser. Am westlichen Ortsausgang von Wolterdingen wurde die ideale Stelle gefunden, um ein Hochwasser-Rückhaltebecken zu errichten. Quer durch das schmale Tal wird ein 110 Meter breiter, 460 Meter langer und bis zu 18 Meter hoher Erddamm errichtet, der das Bregtal auf vier Kilometer Länge mit 4,7 Millionen m³ Wasser auf 70 Hektar Fläche aufstauen kann. Der Hochwasserabfluss wird dadurch stark gemindert und der Hochwasserspiegel sämtlicher Gemeinden bis Riedlingen, das ca. 130 km flussabwärts liegt, gesenkt. Das Regenrückhaltebecken ist als Trockenbecken (mit Fischtreppen) konzipiert, das die Breg nur bei Hochwasser aufstaut, welches man alle fünf bis sieben Jahre erwartet.

Das Durchlassbauwerk
Zentrum und Kernstück des Damms ist das 100 Meter lange Durchlassgebäude, das 2007/2008 von der Emil Steidle GmbH & Co KG (Sigmaringen) im Auftrag des Regierungspräsidiums Freiburg komplett aus Ortbeton hergestellt wurde. Der Querschnitt ist kastig und U-förmig, wobei die Außenwände an der Basis 1,75 und am Top 0,80 Meter dick sind; die Innenseiten sind senkrecht, die Außenseiten im Verhältnis 1:20 nach innen geneigt. Parallel zur Fließrichtung stehen im Inneren zwei weitere 1,5 Meter dicke Mauern. Diese führen die mächtigen Absperrriegel.

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Das Betonbild zeigte sehr wenige Spannstellen. Im Moment wird
es durch den Erddamm zugeschüttet.


Am Ausfluss senkt sich die Bodenplatte radial um einige Meter zum so genannten Kolksee ab; gleichermaßen verbreitern sich die Ausmaße auf 35 Meter wie bei einem "T". Insgesamt hat das Bauwerk eine Höhe von 19,0 Metern. Die Staumauer wird 16,9 Metern Wasserhöhe widerstehen. Decken von 0,75 bis 0,96 Meter Dicke schließen das Gebäude nach oben ab.

Für die Baugrube und das Umleitungsgerinne mussten 20.000 m³ Erdreich ausgehoben werden, davon 7.900 m³ Oberbodenabtrag. Um die komplette Baugrube herum wurden über fünf Meter tiefe Schlitzwände erstellt, die mit Bentonit gefüllt wurden. Damit wurde der Zutritt von Fluss- und Grundwasser stark eingeschränkt.

Der Damm soll zukünftig auch als westliche Umgehungsstraße für Wolterdingen fungieren; ein teures Brückenbauwerk wird hierdurch eingespart.

Schalarbeiten
Bereits in der Angebotsphase wurden Arbeitsvorbereitung und Taktplanung mitberücksichtigt. Mit der Athlet von Paschal konnte ein schlüssiges Schalkonzept erstellt werden. Die Aufgaben sahen vor:
  • Das Einschalen von zunächst 11,20 Meter Höhe in Taktbauweise,
  • dabei enthaltend eine fest montierte und samt Schalung umsetzbare Sicherheitskonsole mit ebenso fest montierten Laufbelägen, Handläufen und Leitern, die Multip, sowie
  • zusätzliche 8,40 Meter Schalhöhe als Kletterschalung;
  • hierbei wurde die Last der Schalung von 4,00 Meter auskragenden Stützböcken aufgenommen, die - horizontal gelegt - als Kletterkonsolen fungierten.
  • Die Windlasten der Kletterschalung wurde auf der Gegenseite über GASS-Türme, die auch als Arbeitsgerüste dienten, abgetragen.
  • Taktgrenzen und Fugen waren vom Planer bereits vorgegeben.
Die in 5,30 Meter Höhe gelegenen Decken des dreigeteilten Auslauf-Stollens sind bis 90 cm dick. Verfahrbare, projektbezogene Einheiten zu jeweils zwei Deckentischen mit jeweils 4,20 m Länge und 4,50 m Breite unterstützten die 11,60 Meter langen Betoniertakte.

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Das Unterstützungsgerüst GASS ist leicht, und daher gut handhabbar.
Dennoch nimmt es pro Stiel bis zu 140 kN auf.


Die als Rammschild gegen schweres Treibgut gedachte "Tauchwand" "schwebt" freitragend in 12,80 Meter Höhe vor dem Auslassbauwerk und ist selbst 4,65 Meter hoch und 1,30 Meter dick.

Dabei konnte die Athlet ihre Vorteile ausspielen:
  • geringe Anzahl von Spannstellen,
  • Frischbeton-Druckaufnahme von 92 kN/m² nach DIN 18218,
  • strengste Ebenheitstoleranzen nach DIN 18202, Tabelle 3, Zeile 7
  • schnelles Umsetzen samt montierter Multip per Kranspiel.
Die Athlet
Die Großflächenschalung Athlet ist eine Stahl-Rahmenschalung, welche sich für den Einsatz im Industrie- und Ingenieurbau eignet. Sie bietet gute Werte bezüglich der Frischbetondruckaufnahme, der eingehaltenen Ebenheitstoleranzen und der geringen Anzahl von Spannstellen im Beton. Das Schalungssystem erschließt darüber hinaus Einsatzmöglichkeiten im Hoch- und Tiefbau. Hohlkastenprofile aus hochfestem Stahl mit 16 cm Bauhöhe, trapez- bzw. hutförmige Querprofile, entsprechende Materialstärken und ihre konstruktive Optimierung sollen höchste Frischbetondrücke erlauben.

Insgesamt wurden fast 1.000 m² Schalung gestellt. Der frische C35/45-Beton wurde zur Nachbehandlung noch 7 Tage in der Schalung belassen. Für das Bauwerk wurden 7.500 m³ Beton verbraucht und über 1.000 Tonnen Stahl.

Bauleiter Dipl.-Ing. Arno Fischer: "Die 1,5 Meter dicken Mauern bis in 19,00 Meter Höhe zu bewehren, waren nicht einfach; wir hätten eigentlich ein zwischen den Schalungen stehendes Gerüst gebraucht, doch hierfür fehlte uns der Platz. Aber wir wussten uns zu helfen." Und, über die Zusammenarbeit mit dem Schalungslieferanten: "Von der Arbeitsvorbereitung über die Logistik, die Einweisung des Baustellenpersonals, die Nachlieferung zusätzlichen Materials ... alles wurde perfekt gelöst."

Traggerüste
Die Deckenarbeiten für die Fahrbahnplatten in 18,60 Meter Höhe wurden durch das Große Aluminium-Stützensystem GASS ermöglicht. Verkompliziert wurde das Bauwerk unter anderem durch die längs der Mitte in etwa 10 Meter Höhe gelegene torpedoförmige Maschinenkammer, die den Staubalken durchdringt. Bereichsweise musste in verschiedenen Etagen und um Vorsprünge herum unterstützt werden. Es wurden auch in dieser Höhe Stützenlasten bis 85 kN (also etwa 8,5 Tonnen) pro Stiel abgeleitet.

Das Große Aluminium-Stützen-System GASS von Paschal ist eine Weiterentwicklung der auf dem Markt befindlichen Aluminium-Traggerüstsystemen. Mit einer zulässigen Tragkraft von 140 kN pro Stütze soll es das tragfähigste Aluminium-System sein, das sogar viele Systeme aus Stahl übertreffen soll. Es wird durch einen Aussteifungsrahmen stabilisiert und bildet so einen Turm. Der annähernd runde Querschnitt der Stütze ist die statisch optimale Form, mit wenig Material große Kräfte aufzunehmen. Die identisch aufgebauten Kopf- und Fußplatten haben durch ihre schachbrettartig strukturierte Oberfläche eine passgenaue Verbindung. Um das Gerüst schnell und sicher auf die jeweilige erforderliche Höhe zu bringen, wird diese mit einer Spindel eingestellt. Bei unebenem Grund und unterschiedlichen Endhöhen kann man an beiden Enden der Stütze eine Spindel montieren.

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Die Innenseiten der Kletterschalung wurde durch das Große Aluminium-Stützensystem GASS
unterstützt.


Aussichten
Anfang 2008 wurden die Betonarbeiten beendet und die Vorarbeiten für die Dammschüttungen ausgeführt. 2009 haben die Dammbauarbeiten begonnen; das Material wird Kosten und Wege sparend in unmittelbarer Nähe aus dem Berg gebrochen und mit geschätzten 30.000 Lkw-Fahrten transportiert. 2011 soll das Becken in Betrieb gehen.

Die Kosten sind mit 22 Mio. Euro veranschlagt, davon 5 Mio. für das Durchlassbauwerk; die Donau-Anrainergemeinden engagieren sich mit 30 %.

Zum Vergleich: Allein das Verhindern der volkswirtschaftlichen Schäden durch ein einziges großes Hochwasserereignis würde die Bauwerkskosten bereits wieder gut machen.

Vorarbeiten
In den Jahren 1997 bis 1999 wurde die raumordnerische Beurteilung durchgeführt, die mit dem Raumordnungsbeschluss endete. Im Jahre 2000 wurde mit der Objektplanung begonnen, die auch geotechnische Gutachten enthielt. 2003 wurde die Planfeststellung beschlossen.

Projektverlauf
  • 13. Juli 2006: Spatenstich und Eröffnung der Bauphase
  • 2006 bis 2008: Ausführung der Stahlbetonarbeiten
  • 2006 bis 2011: Ausführung der Stahlwasserbauarbeiten
  • 2008 bis 2011: Ausführung der Dammschüttung
  • 2011: Inbetriebnahme des Hochwasserrückhaltebeckens
Mehr Bauprojekte und Jobreports...

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Video: Bilfinger Berger - Oymapinar (1983)
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Artikel: Palm Jumeirah, Dubai: die Golden Mile am Stamm der Palme

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Herstellerlink: www.paschal.de

(Fotos: Paschal)
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In 20 Meter Höhe nahm das GASS noch 8,5 Tonnen Maximallast
pro Stiel auf.


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Das 100 Meter lange und 35 Meter breite Durchlassbauwerk ist Zentrum eines noch aufzuschüttenden
Damms der Talsperre der Breg bei Wolterdingen. Mittig: Der dreifach gestaffelte Auslass mit etwa 9
Meter lichter Höhe.

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Die GASS-Stütztürme der über 11 Meter langen Betoniertakte in den
Auslassstollen waren verfahrbar.


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Die Überschüttungsseite.
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Die riesigen, viele Tonnen schweren Riegel, die bis 4,5 Millionen Kubikmeter Wasser zurückhalten
werden, werden durch Aussparungen im Beton geführt.


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Einlassgebäude

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Weiter rechts das Gerinne in das Kolkbecken.

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Die ca. 9 Meter hohen Decken des zu überschüttenden Gebäudes sind fast 1 Meter dick und
werden durch verfahrbare GASS-Türme unterstützt. Die Wände sind bis 1,75 Meter dick.


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Rückseite
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