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Bauarbeitsplätze nicht menschengerecht?


Bauforum24

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Betriebliche Gesundheitsversorgung (BGF) nannten die Verbände der Krankenkassen als wichtiges Handlungsfeld in ihrem gerade veröffentlichten Präventionsbericht. 2006 nahmen rund 935000 Arbeitnehmer an Präventionsprogrammen teil – eine Steigerung um 35 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor. In den betrieblichen Maßnahmen ging es überwiegend um die Bewältigung von körperlichen Belastungen. Aber auch Stressmanagement und gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung waren wichtige Themen.

Wer wäre prädestinierter für solche Maßnahmen als die Arbeitnehmer mit den höchsten Belastungen?

Leider kommt bei denen, die es am nötigsten brauchen nichts an. Doppelt so viele Unfälle wie im Durchschnitt, die meisten Ausfälle wegen Krankheit, die längste Arbeitsunfähigkeitsdauer, Spitzenplätze bei Berufskrankheiten wie Lärmschwerhörigkeit, Muskel- und Skeletterkrankungen, Asbestose, die frühesten Renten wegen Erwerbsunfähigkeit, die größten Probleme mit dem demografischen Wandel, das ist die Situation für die Beschäftigten und die Betriebe in der Bauwirtschaft. Das Schlimmste dabei ist, dass die Zahlen sich nicht verbessern, sondern sich noch verschlechtern. Hier haben alle drunter zu leiden. Finanzielle Belastungen für Arbeitgeber und Sozialkassen. Bei den Arbeitnehmern kommt neben finanzieller Not und sozialer Abstieg noch Schmerz und
menschliches Leid hinzu.

Das Arbeitsgericht Hamm (2BV 30/72) hat in einer Entscheidung im Zusammenhang mit dem § 91 Betr.VG folgenden bedeutsamen Satz gesagt: „Bei einer Gefahr von Gesundheitsgefährdung, kann von einer menschengerechten Gestaltung der Arbeitsplätze keine Rede mehr sein"

In 2006 ist die Zahl der tödlichen Unfälle am Bau um 25 % gestiegen. Oft ist es so, dass Sicherheitsvorschriften nicht beachtet werden. Es ist fast zynisch wenn dann zu lesen ist: „Fremdverschulden" ist auszuschließen, d.h. der Verunfallte hatte selbst Schuld. Die Sicherheitsmaßnahmen werden gerade auf Baustellen oft genug ignoriert um das vorgegebene Arbeitspensum überhaupt zu schaffen. Auch die Baubeschäftigten, die oft unter widrigsten Witterungsbedingungen, schwere körperliche Arbeit, auf am weitesten entfernten Arbeitsplätzen, unter hohen Belastungen wie Staub und Lärm unter enormem Zeitdruck erledigen, haben auch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit und menschengerechte Arbeit.

Gesundheitsförderung und Lebenslanges Lernen erreichen die Beschäftigten des Baugewerbes so gut wie überhaupt nicht. Die enorme Wichtigkeit beider Maßnahmen, gerade vor dem Hintergrund verlängerter Lebensarbeitszeit und demografischem Wandel sind unbestritten Die Leute sind morgens um halb 6 aus dem Haus und kommen abends um 18 Uhr erschöpft nach Hause. Wenn überhaupt. Bei Montagebaustellen sind sie die ganze Woche weg. Der Samstag ist auf vielen Baustellen schon ein normaler Arbeitstag und Sonntagsarbeit weitet sich aus. Auch die tägliche Arbeitszeit auf Baustellen wird massenhaft überschritten. Das Arbeitszeitgesetz wird ignoriert weil es auch nicht kontrolliert wird.

Wenn betriebliche Gesundheitsforderung in Betrieben erst ab 50 Mitarbeitern stattfindet, sind ca. 97 % der Baubetriebe von vorneherein ausgeschlossen, da es sich um Klein- und Kleinstbetriebe handelt. Wenn man die Leute in den Betrieben nicht erreicht, dann muss man dorthin gehen, wo sie sind, auf den Baustellen. Oder Multiplikatoren ausbilden und dort einsetzen wie mit dem Gesundheitsbeauftragten bzw. Baustellenberater wie von Gesunde-Bauarbeit vorgeschlagen. (www.baukonferenz.de)

"Der Arbeitsplatz ist der wichtigste Ort, um Gesundheitsförderung zu betreiben!" (US Gesundheitsministerium Department of Health and Human Services 1996)

Gesundheitsförderung ist nichts Neues. Die Experten behaupten es rechnet sich. Der ROI (Return On Investment) für Maßnahmen im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung wird in einschlägigen internationalen Studien (z.B. Bundesverband der deutschen Betriebskrankenkassen) mit dem Verhältnis 1:3 beziffert, was dieses Instrumentarium als ökonomisch hocheffektiv ausweist. Die Arbeitgeber sind da anscheinend nicht von überzeugt. Vielleicht weil es einfacher ist, Leute welche die Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausführen können den Sozialkassen zuzuführen. Angesichts der demografischen Entwicklung könnte dieser Schuss aber nach hinten losgehen.

Jeder Zweite am Bau muss seinen Beruf aufgeben. Renteneintrittsalter wird zur Utopie. Andere Berufe die seinem Restleistungsvermögen entsprechen, damit ist auch aufgrund seiner fehlenden Weiterbildung nicht nur das Körperliche gemeint, sind nicht vorhanden. Die Bauarbeiter sind im Laufe der Jahre sogar lernunfähig geworden, sie haben sozusagen das Lernen verlernt.

Die Jobs die sie nach Ansicht von Ärzten noch ausführen können, 6 Stunden täglich an der Tankstelle als Kassierer, Kartenabreisser im Kino, oder Aufsicht in der Selbstbedienungsgarderobe, werden soweit es sie überhaupt gibt, von 400 Euro Jobbern erledigt. Es folgt ein sozialer Absturz in Krankengeld, Arbeitslosigkeit, Hartz IV, Altersarmut.

Wer das gesetzliche Renteneintrittsalter auf 67 erhöht, muss auch Sorge dafür tragen, dass er möglich ist so lange zu arbeiten. Das gleiche gilt für Krankenkassen die BGF auch für Bauarbeiter möglich machen müssen, für Berufsgenossenschaften die mit Ihnen zusammenarbeiten und ihrem erweiterten Präventionsauftrag nachkommen müssen. Vor allem aber für Arbeitgeber, welche Arbeitsschutzgesetze einhalten müssen.

Alle Beteiligten sind aufgefordert, gemäß dem INQA-Motto „Jeder in seiner Verantwortung" die negativen Verhältnisse durch präventive Maßnahmen zu verbessern. Auch Bauarbeiter zahlen Beiträge und auch Bauarbeiter haben ein Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und menschengerechte Arbeitsplätze.

Mehr unter:
www.baukonferenz.de
www.gesunde-bauarbeit.de
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Is ja schön geschrieben und nicht unbedingt falsch.
Aber: wie umsetzen??

Nur mal als Beispiel
Heben von Lasten: Im Bergbau, vor allem in den kleinen Querschnitten ( 1m*1,8m nur so als Beispiel) in denen wir meistens arbeiten, komm ich mit keinem größeren Gerät rein, hab aber trotzdem schwere Sachen zu heben, weil unser Werkzeug meistens etwas robuster gebaut ist. Wenn Du dann zu den Leuten hingehst, und einen Vortrag über korrektes Heben (in die Hocke gehen,...) hältst, kannst Du froh sein, wenn sie Dich nur auslachen.

Bergziege

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  • 2 months later...
Wie umsetzen? Mitdenken, mitmachen. Geht nicht gibt es nicht sagt ihr doch auch auf der Arbeit.

Jeder 2. wird mit 55 berufsunfähig. Der ist am Ende.
Berufsunfähigkeit gibt es aber nicht mehr. sad.gif
Jeder kann auf jeden Beruf verwiesen werden.
Wer noch 6 Stunden arbeiten kann, beispielsweise an der Tanke für 6 -8 Euro muss diesen Job annehmen.
Wenn keiner frei ist spielt keine Rolle, es könnte ihn ja geben. mad_red.gif
Wer noch 3 Stunden arbeiten kann, bekommt die Hälfte der Rente. Die Durchschittsrente beim Bau liegt bei ca. 1000 Euro. Wer nicht mehr kann bekommt die Rente hochgerechnet bis zum 60. Lebensjahr, dass heißt hier fehlen 5 Jahre. 18 % weniger. Also sind wir bei gut 800 Euro. Bei noch möglichen 3 Stunden Arbeit in der Selbstbedienungsgarderobe oder als Kinokartenabreisser bleiben dann vieleicht 400 Euro.
Auf die Frage eines Bauarbeiters wovon er denn leben soll, antwortete der Mitarbeiter der Rentenversicherung:" Andere leben von 347 Euro Harts IV, das geht auch. mad_red.gif mad_red.gif

Da habe ich Erwachsene gestandene Männer vom Bau die 40 Jahre bei Wind und Wetter malocht haben weinen gesehen.

Sie haben immer nur malocht, sich nicht gekümmert. Es betrifft mich nicht. Ich komm da schon raus.
Bin doch kein Weichei.

Ich kann nur jedem raten sich hierüber Gedanken zu machen und was zu tun. Auch bei den Unfällen.
Wer die Knochen kaputt hat bekommt kein Geld nachgeworfen. Auch nicht von der Berufsgenossenschaft.
Die prüfen jeden Unfall und versuchen sich vor Zahlungen zu drücken.


Mir ist auch das Lachen vergangen. Ich habe tagtäglich mit solchen Geschichten zu tun.

Bleibt gesund wave.gif

Gruss Rudi

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Hallo Betriebsratvorsitzender,

und woran liegt das?
weil sich irgendwelche Schlipsträger etwas ganz Tolles ausdenken und leider keine Ahnung haben, wovon sie reden.

Es gibt leider Arbeitsplätze, die auch heute noch im IT-Zeitalter noch Knochjobs sind.

Einer unserer Leute hat nach 35 Jahren Bergbau komplett ruinierte Knie (was wunder), die Ärzte haben aber immer nur irgendwelche Wunderheilermethoden angewandt ( Elektrophorese, CHondroitinspritzen...). NAch knapp sechs monaten betteln, hat die Krankenkasse endlich dem "Einbau" künstlicher Kniegelenke zugestimmt. Damit er endlich wieder gehen kann, von arbeiten ist da noch gar nicht die Rede. Was dann für Berufsaussichten kommen, keinen Ahnung.

Ich hab von Einem gehört, der nach 2 Herzinfarkten als Nachtwächter arbeiten soll.

Und die Nasen, die die Verordnungen und Gesetzte beschließen, sitzen sich ihren Hintern breit, gehen dann , wanns ihnen paßt in den Ruhestand (Vielleicht noch ein Versorgungspöstchen in Brüssel) mit einer Rente, die Unsereiner nichtmal brutto auf dem Lohnzettel zusammenbringt.

Und dann gibt es Arbeitsplätze, die im ersten moment gar nicht so wild aussehen, aber auf dem 2. Blick sich als sehr anstrengend entpuppen.

Also gesund bleiben ist wirklich der das Beste was man da tun kann!

Grüße

Christine


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Hallo,

wichtig ist erstmal, dass gesundheitliches Denken am Arbeitsplatz nicht "uncool" sein darf. Dazu gehört das Einhalten von Vorschriften/Empfehlungen und richtige Reagieren auf Erkrankungen, damit hier keine Folgeschäden entstehen. Wie oft werden Kollegen angemacht, wenn Sie wirklich krank sind und Erholung brauchen. "Du bist ja auch ständig krank," oder "Lasche Hülle - bald kannst Du ganz zu Hause bleiben." sind seit Jahrzehnten gerne verwendete Kommentare bei solchen Situationen. Es ist eben eine Einstellungsache - und wenn Helmtragen und Sicherheitschuhe oder Pausenzeiten eben lapidar abgetan werden ist nicht unbedingt immer der Chef der Grund. Klar kann oft das Umfeld nur begrenzt beeinflusst werden, aber wie bei allem im Leben liegt die Verantwortung bei uns selbst. Nicht bei irgendwelchen weltfremden politischen Bestimmern und Verwaltungsangestellten. Und wenn wir nicht mal den Mund aufmachen, machen es eben andere.

Ich glaube aber, dass die Situation am aktiven Bau noch viel schlimmer ist, denn die wirklichen Schäden sehen die Statistiken gar nicht. Oder wo weren die überwiegend ausländischen Krankeits- und Gesundheitsschäden festgehalten...?

Übrigens sollte nicht vergessen werden, das neben Bauarbeitern auch viele andere Arbeitnehmer "am Bau" beteiligt sind. Deren Belastung steigt auch täglich. Und krank werden kann man auch im Büro. Ob das gesamte Elektronische Umfeld, der "Segen" moderner Kommunikation (schnell noch 320 Email bearbeiten), schlechte Luft und Lichtverhältnisse, 9 Stunden sitzen, Druck ohne Ende etc. der Gesundheit gut tut, wage ich zu bezweifeln.

In diesem Sinne - tief Luftholen und einen guten Arbeitstag haben!
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