Shared Space in Bohmte

[Bauforum24 1.130]

Manchmal ist weniger mehr und zwar dann, wenn es um Verkehrsschilder geht. Etwa 20 Millionen Verkehrszeichen regeln das Verhalten auf deutschen Straßen. Das macht im Schnitt alle 28 Meter ein Schild. Dass es auch anders gehen kann, will ein von der EU gefördertes Projekt demonstrieren, das den Ansatz verfolgt, die Straßen für Fußgänger, Rad- und Autofahrer sicherer zu machen. Shared Space, was soviel wie "gemeinsam genutzter Raum" heißt, läuft in Holland, Belgien, Dänemark und England. In Deutschland startet es erstmals im Ortskern von Bohmte in Niedersachsen. Statt Verkehrsschildern sorgt ab 2008 eine einfache Regel für Ordnung und Sicherheit auf der viel befahrenen Bremer Straße: Fußgänger, Rad- und Autofahrer sind alle gleichberechtigt und müssen gegenseitig Rücksicht aufeinander nehmen.

Das einzige Schild, das in der Bremer Straße in Bohmte 2008 stehen wird, trägt den Hinweis zu
dem EU-Projekt Share Space, geteilter Raum. Realisiert wird das besondere Straßenbauprojekt
von der Firma Wübker und den Mitarbeitern Thomas Oetting, Polier (erster von links),
Firmeninhaber Joachim Wübker (zweiter von links), sowie Bauleiter Johannes Scheele. Den
Fuhrpark an Cat-Maschinen betreut der Zeppelin-Verkäufer der Niederlassung Osnabrück,
Jürgen Köhler (zweiter von rechts).

Das einzige Schild, das später in dem gesamten Bereich aufgestellt wird, weist auf das Projekt Shared Space hin. Alle anderen Verkehrszeichen verschwinden. Statt Ampeln wird es einen Kreisverkehr geben. Gehwege und Straßenflächen bekommen ein einheitliches Pflaster, das bis an die Häuserzeile reicht und auf einer Ebene angelegt wird. Auf beiden Seiten verläuft eine Regenrinne. Gehsteigkanten fallen komplett weg, so dass später niemand mehr unterscheiden kann, wo die Strasse beginnt und der Gehweg endet. Alle teilen sich eine Fläche. Zwangsläufig müssen dann Pkw- und Lkw-Fahrer ihren Fuß vom Gaspedal nehmen und ihre Geschwindigkeit drosseln, um sich der Verkehrssituation anzupassen. Die einzige Vorschrift, an die sich die Verkehrsteilnehmer halten müssen, lautet: rechts vor links. Um sich untereinander zu verständigen, hilft ihnen nur Rücksichtnahme und ständiger Blickkontakt. Sonst mündet alles in ein großes Verkehrschaos.

Doch soweit wird es nicht kommen. Auch wenn so manche Hürde gerade in der Endphase der Planung bewältigt werden musste, glaubt der Auftraggeber, die Gemeinde Bohmte, fest an den Erfolg des Projekts. Weil trotzdem ein gewisses Restrisiko bestehen bleibt, wenn Shared Space nicht funktioniert, musste sie zusichern, nachträgliche Veränderungen oder gar den Rückbau zu übernehmen. Außerdem wurde vereinbart, dass Bohmte die Unterhaltung des ausgebauten Bereichs der Landesstraße und künftig die Verkehrssicherungspflicht trägt. Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sich bei 2,35 Millionen Euro. Davon muss die Gemeinde 1,17 Millionen Euro selbst aufbringen. Die restlichen 1,18 Millionen Euro werden aus EU-Mitteln und weiteren Drittmitteln finanziert. Vergeben wurde der Auftrag an die Wübker Strassen- und Tiefbau GmbH aus Damme, die die Bremer Straße im Bereich der Leverner Straße bis zur Straße Am Schwaken Hofe umgestaltet wird.

Auf der Baustelle in Bohmte gibt es wenig Platz.

Mit Cat-Baumaschinen rückt das Unternehmen an, um zunächst den alten Straßenbelag abzutragen, das Auskoffern vorzunehmen, eine Schottertragschicht einzubauen, auf die dann zum Schluss die Pflastersteine gesetzt werden. Erledigen werden die Arbeiten unter anderem ein Minibagger mit Kurzheck, 308C CR, die beiden Radlader 906 und 908 und zwei Mobilbagger, ein 316 C und ein M316 D. Letzterer war für die Baustelle mit einer neuen Siebschaufel von Cat ausgestattet worden. ?Die hat sich wirklich bezahlt gemacht, weil sie weniger Sand aufnimmt. Den Bauschutt ist so wesentlich sauberer und muss nicht speziell entsorgt werden", freut sich Geschäftsführer Joachim Wübker. Vorteile sieht er bei dieser wie bei seinen anderen Cat-Maschinen wegen der Finanzierung. ?Sie überzeugen außerdem durch ihre Leistung, der Service klappt gut und wir sind zufrieden, wie wir von der Zeppelin-Niederlassung Osnabrück betreut werden", lobt Joachim Wübker. Der Bauunternehmer hat sich vor sieben Jahren selbständig gemacht und seine eigene Strassen-, Kanal- und Tiefbaufirma gegründet, die Bauarbeiten im Raum Osnabrück ausführt und Tiefladertransporte übernimmt. Klein angefangen hat er als Ein-Mann-Fuhrunternehmer mit einem eigenen Lkw. Die erste Baumaschine war ein ZM15, heute gehören zu seinem Fuhrpark sechs Radlader, ein Mobilbagger, ein eineinhalb, ein dreieinhalb, ein fünf, ein acht und ein 20 Tonnenbagger ? alle tragen sie den Markennamen Caterpillar. Ähnlich rasant entwickelte sich die Mitarbeiterzahl von den Anfängen bis heute. Mittlerweile beschäftigt er 24 Mitarbeiter, ein Drittel der Belegschaft ist derzeit auf der Baustelle in Bohmte beschäftigt.

In die Baumaßnahme in Bohmte mit eingeschlossen ist ein 750 Quadratmeter großer Parkplatz, den Wübker ebenfalls anlegen wird. Außerdem wird die Firma einen neuen Kanal einbauen. Der Alte war zu marode. In diesem Zuge werden auch die Hausanschlüsse für Schmutz und Regenwasser der Anlieger neu gemacht, Kabel und Gasleitungen neu gelegt. Folgeaufträge, die aus der Baumaßnahme resultieren, wird Wübker ebenfalls ausführen. ?Wir sind bereits von den Anliegern, insbesondere den Geschäftsleuten, angefragt worden, ob wir nicht auch ihre Einfahrten pflastern könnten. Sie wollen dafür das gleiche Pflaster wie für die Straße verwenden. So wird der Ortskern ein einheitliches Erscheinungsbild erhalten", so Wübker. Schließlich, so bestätigt er, sei das Interesse der Öffentlichkeit an diesem Projekt sehr groß. Bereits Japaner und eine Schulklasse hätten sich schon nach Shared Space in Bohmte erkundigt. Auch die deutsche Presse wurde darauf aufmerksam und diverse Fernsehteams statteten der Straßenbaustelle einen Besuch ab. Die Gemeinde rechnet damit, dass die Anfragen nach Shared Space noch zunehmen werden, wenn erst einmal der Verkehr rollt. ?Immer wieder werfen Passanten neugierig einen Blick über den Bauzaun und beobachten interessiert, was sich auf der Baustelle tut", berichtet Johannes Scheele, Bauleiter der Firma Wübker. ?Wegen dem großen Interesse, laden wir alle drei Wochen die Bürger zu unserer Baubesprechung ein, um ihnen zu erklären, wie wir vorgehen werden und über den aktuellen Stand der Baustelle zu informieren." Ein wichtiger Punkt war, von vornherein dafür zu sorgen, dass die Geschäfte trotz Baustelle zugänglich bleiben und Passanten durch die Bauarbeiten nicht gefährdet sind. Der Bauleiter und sein Team muss mit wenig Platz auskommen. Da kommt ihm der Cat-Minibagger mit Kurzheck zu gute. ?Den haben wir eigens für besonders enge Baustellen gekauft. Da wir häufig im innerstädtischen Bereich arbeiten, wo der Bagger sehr dicht an Hauswänden eingesetzt wird, ist es praktisch, dass sich das Oberwagenheck innerhalb der Grundfläche des Unterwagens dreht. In Bohmte konnten wir schon oft davon profitieren", so Wübker.

Start der Bauarbeiten in Bohmte war Mitte September. Die gesamte Baumaßnahme wurde in sechs Bauabschnitte unterteilt. Fertig sein muss sie bis Juni 2008. Dann wird sich zeigen, wie die Verkehrsteilnehmer mit dem geteilten Raum, zurechtkommen und ob sie auf Verkehrsschilder getrost verzichten können.

Der Cat-Kurzheckbagger gräbt ein Loch neben dem Parkplatz, wo während der Baumaßname
eine Bautafel aufgestellt wird.

(Fotos: Zeppelin)