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In einem Jahr 25 % mehr Tote am Bau


Betriebsratvorsitzender †

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das neue Jahr ist schon 2 Wochen alt. Ich darf Euch noch ein erfolgreiches Jahr 2008 wünschen und vor allem Dingen Gesundheit.

Wie oft habt ihr das schon gehört? Jetzt reicht es langsam oder? Aber Glück und Erfolg kann man immer brauchen und Gesundheit ist ja schließlich das wichtigste oder? Immer wieder wünscht man sich Gesundheit. Zum Namenstag, Geburtstag und natürlich zum Jahreswechsel. Oder wenn jemand auf Reise geht, wünscht man ihm, dass er gesund heimkommt. Die Liebsten warten auf ihm.

So wie die junge Frau mit dem kleinen Sohn und die Geschwister des 25jährigen Grevenbroicher, der am Sonntagnachmittag beim dritten schweren Unfall auf der Kraftwerksbaustelle in Grevenbroich-Neurath starb. Die einst als sicherste Baustelle im Land bezeichnet wurde. Sie wurde zum dritten Mal zum Tatort.

Am Samstag stürzte ein 38jähriger in Köln 30 Meter in die Tiefe. Er war sofort tot.

Am Montag wurde in Bonn ein Bauarbeiter von einem drei Tonnen schweren Betonteil erschlagen. Das hatte sich aus einer Zwischendecke gelöst. Man brauchte drei Stunden für die Bergung.

Drei Tage, drei Tote an einem Wochenende in NRW. 2006 starben 25 % mehr Menschen auf Baustellen als 2005. In der Pressemeldung stand es ganz versteckt unten.

2007, liebe Kolleginnen und Kollegen wird es nicht besser sein. Ich habe mal im Internet recherchiert und über 50 Tote zusammen bekommen, so viele wie nie. Ich befürchte das Schlimmste. Es zerreist einem das Herz, wenn man an die Toten und die Angehörigen denkt.

Und dann kommt einem die Wut hoch wenn man sieht, wie einige die in der Verantwortung stehen sich bewegen.

Die Liste von 2007 füge ich bei, damit sie mal sehen, wie es passiert um wem es trifft. Die weitaus meisten sind zwischen 45 und 55 Jahren. Das sind keine Anfänger. Die wissen was sie tun und kennen auch die Sicherheitsvorschriften. Sagt man auch oft, die Unfallursache ist noch ungeklärt. Niemand will einem anderen fälschlicherweise die Schuld zuweisen.

Doch der Schuldige steht für mich in den meisten Fällen fest.

Es ist der mörderische Zeitdruck der auf fast allen Baustellen herrscht.

Der wurde auch in Neurath oft genug beklagt. Warum wird dort sonntags gearbeitet?

Laut Baustellenverordnung macht sich der Bauherr mitschuldig, wenn er einen unakzeptablen Fertigstellungstermin festsetzt.

Die Bauarbeiter bezahlen das mit dem wertvollsten was sie haben, mit der Gesundheit oder mit dem Leben.

Die Chance auf der Baustelle zu sterben wird auch 2008 wieder 1:5000 sein.

Die Chance als Bauarbeiter die Gesundheit zu verlieren und Frührentner sprich Hartz IV Empfänger zu werden beträgt 1:2

Die Chance das Rentenalter mit 67 zu erreichen ist für Bauarbeiter gleich null.


Es ist unerträglich geworden. Der Bauwirtschaft fehlen die Facharbeiter. Welcher normale Mensch will unter solchen Bedingungen arbeiten? Ausländer, insbesondere Rumänen werden in menschenverachtender Weise ausgebeutet. Mindestlöhne werden umgangen durch Scheinselbständigkeit. Und der Staat schaut zu. Die schreiben keine Rechnungen haben ein Büro für 50 Leute und sprechen kein Wort Deutsch. Sie bekommen ein Papier in die Hand gedrückt, dass sie nicht mal lesen können.

Die BauCard, am 19.04.2000 von den Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft vereinbart, gibt es nicht. Sie einzuführen würde sich lohnen und Ungerechtigkeiten verhindern. Es den Beamten leichter machen und Zeitersparnis bringen, für neue Kontrollen. Wer will das? Die Politik nicht, angeblich aus Datenschutzgründen

Die beantragen den Sicherheitsbeauftragten auf ab 50 Leute hoch zu setzen. Die den Arbeitsschutz deregulieren sind dann die ersten an der Unglücksstelle und tönen in die Kameras: „Unser Mitgefühl gehört den Angehörigen.“

Der deutsche Bauarbeiter, einst der Stolz des Landes, heute ein Verlierer einer nicht endenden Krise, titelte vor Jahren schon die BILD. Da war es aber noch relativ gut.

Den Wettbewerb um die klügsten Köpfe hat der Bau längst verloren. Man holt sich die, welche keine andere Stelle finden und muss denen erst mal Lesen und Schreiben beibringen. So haben diese Jugendlichen wenigstens eine Chance Arbeit zu bekommen. Für die Bauwirtschaft ist dies aber ein Armutszeugnis. Der beschäftigungspolitische Offenbarungseid. Die schwafeln von Qualität am Bau. Der Pfusch nimmt immer größere Dimensionen an. Qualität hat auch was mit Qualifikation zu tun.

Der Slogan muss also lauten: Sei schlau, meide den Bau. Der Bau nimmt Dir das wertvollste was Du hast, Deine Gesundheit und Deinen Stolz, wenn Du Dich mit kaputten Knochen mit Hartz IV oder Rente auf diesem Niveau nach 40 Jahren Knochenarbeit bei Wind und Wetter abspeisen lassen musst.

Abgesehen von einigen wenigen Firmen wo man wie ein Mensch behandelt wird. Die haben auch keine Probleme mit dem Nachwuchs. Die kämpfen gegen die Dumpingfirmen, die sich auf Kosten der Andern Wettbewerbsvorteile erschleichen.

Die Beste Werbung wäre gute und sichere Arbeit, noch dazu gerecht bezahlt. Der Arbeitgeberpräsident stellt sich vor die Presse und stellt fest das 150 000 Bauarbeiter unter Mindestlohn arbeiten. Um eine signifikante Kostenentlastung der Bauunternehmen zu erreichen forderte er, die Generalunternehmerhaftung abzuschaffen. Er forderte eine kräftige Deregulierung des deutschen Arbeitsrechts.
Die Zustände am Bau sind doch abschreckend für jeden der was im Kopf hat.

Die Einkommen der Bauarbeiter sind drastisch gesunken. Früher war zwischen Weihnachten und Neujahr komplett bezahlt frei, dann waren es noch ein paar Tage, heute sind noch der 24. und der 31. frei, unbezahlt versteht sich. Der November wird zum „Sommermonat“ erklärt, so dass die Bauarbeiter gezwungen sind im Sommer Überstunden zu kloppen um die im Nov. bei Schlechtwetter einsetzen zu können. Dann bezahlt man noch 0,8 Prozent von seinem Jahreseinkommen zum Schlechtwettergeld dazu. Nur damit die Arbeitgeber die Leute im Winter nicht rausschmeißen. Dazu hat man die Arbeitszeit um 1 Stunde erhöht.

Die Bauleute sind gezwungen Überstunden zu machen, damit sie überhaupt noch rund kommen. Und daher machen sie die gerne. Viele müssen noch mit dem eigenen PKW zur weit entfernten Baustelle fahren, bei diesen Spritpreisen kein Vergnügen. Dafür wird die Entfernungspauschale gestrichen.

Jetzt jammert man, dass die Facharbeiter fehlen.

Die Aussichten sind trübe, eine Besserung ist nicht in Sicht. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Ich wünsche allen Bauarbeitern auch Gesundheit die können sie verdammt gut brauchen, sie ist ihre Existenz.


Viele Grüße


2007_toedliche_Unfaelle.pdf

25__.pdf

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Es ist wirklich bedauerlich, dass dem Unfallschutz auf deutschen Baustellen nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Ich bin immer wieder entsetzt, wie Bauführungskräfte Sicherheitsmaßnahmen "vergessen" und wie wenig sie sich der Konsequenzen bewusst sind, für die Mitarbeiter aber auch für die eigene Person.
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Alles richtig und bedauernswert.

Auf der anderen Seite erlebe ich oft, das sich Arbeitnehmer fahrlässig verhalten und die alten Gewohnheiten nicht über Bord werfen wollen, obwohl die Fa. die nötigen Sicherheitsmaßnahmen zur Verfügung stellt und die Benutzung anweist. Viel zu schnell lassen einige AN Sicherheit und Gesundheit aus falsch verstandenem Stolz außer Acht.

Wie oft muß ich predigen, obwohl farbige Ausdrucke und vorgenommene Unterweisungen mehrmals während der Bauzeit auf die Sicherheitsbestimmungen hinweisen und die Einhaltung mahnen.

Ist genauso wie das Rauchen und der Alkoholgenuß. Jeder weiß das es krank macht und trotzdem gibt es viele, die es darauf ankommen lassen.

Jeder Unfall auf der Baustelle ist einer zuviel. Da gibt es überhaupt keine Disskusion.

Doch leider Gottes ist nicht jeder geschehene Unfall auf das allgemein bekannte Preisdumping zurückzuführen.

Gruß
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