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Neulich hatte ich die Zeitschrift wieder in der Hand und mir fiel ein dass ich noch eine Zusammenfassung schuldig bin. Quelle ist die Zeitschrift "Bauingenieur" vom Juni 2010 :

"Tiefe Baugruben und Hochhausgründungen am Beispiel des PalaisQuartier in Frankfurt"

In dem Artikel werden die Randbedingungen für den Entwurf des innerstädtischen Bauvorhabens aufgezeigt, die daraus resultierenden Entscheidungen für ein optimales Gründungs/Verbaukonzept vorgestellt, die angewandten geotechnische Bauverfahren und das ganze als Gesamtes des Sinn hatte eines nach der Ansicht der Autoren größten innerstädtischen Einzelbaumaßnahmen in Deutschland kostenoptimiert und unfallfrei abzuwickeln.

Parameter seien :
- Vorhandene Bebauung
- Ver-/Entsorgungsleitungen
- Infrastruktureinrichtungen
- Nachbarschaftsschutz
- Wasser- und Umweltrecht
- Setzungs- und Verformungsbetrachtung der Nachbarbebauung
- Baugrund/Grundwasserverhältnisse
- Anforderungen an den Bauablauf, insbesondere logistische Herausfordernungen
- Geschäftsalltag in der nahen Umgebung

17400 m² großes Baufeld, 22 sowie 40 m hohe Bestandsbebauung mit einer Bruttogeschossfläche von 180000 m², wovon 60000 m² unterirdisch waren. Reste des TuT-Palais konservatorisch rückgebaut, eingelagert/aufarbeitet und später wieder eingebaut, eine 17000 m² große Baugrube, bis zu 22,5 m tief. 70 m hohes Fernmeldehochhaus mit Kombinierte Pfahl-Plattengründung (KPP) aus Frankipfählen aus dem Jahre 1954 komplett zurückgebaut. Fußebene der Frankipfähle lag 7 m oberhalb der späteren BGS - somit musste die Tiefgründung des abgerissenen Hochhauses ebenfalls ausgebaut werden.

Später wurde hier 6 Untergeschosse (u.a. TG mit 1400 Stellplätze), der laut Projektentwickler (Anmerkung von mir) "sündhaft teure" Reko des TUT-Palais, ein 90 m hohes Hotel-HH (mittlerweile glaube ich ein 5+ Sterne Hotel), ein 136 m hohes Büro-HH und die Shopping-Mall "MyZeil" errichtet.

Gründungs/Verbaukonzept

Aufgrund der stark unterschiedlichen Schichtdicke des Frankfurter Tons (S-O des Baufeldes ca. 4 m unter BGS, im N-W ja 12 m unter BGS) unter der Gründungsebene, den U-/S-Bahnbauwerken (keine Rückverankerungen möglich) und der hohen Erd-/Wasserdrücke entschied man sich für die Deckelbauweise (Gründung der Primärstützen und der Bauwerkspfähle als Pfahlgründung in den Frankfurter Kalken. Durch die dadurch gleichzeitig und paralell möglichen Arbeiten unter/über dem Deckel konnte die Bauzeit reduziert werden. Hierbei war die Gründung als KPP wie bei Vorbau aufgrund der durch die Tiefe der Baugrube geringen Schichtdicke des Tones zwischen Gründungssohle und OK Kalk keinen Sinn.
Das Wasserrecht, verbunden mit den Randbedingungen (GW-Absenkungen induzieren immer gewisse Setzungen) wurde ein wasserdichter Verbau erforderlich.
Der Abstand Innenkante der Kelleraußenwand zur Grundstücksgrenze betrug 2,5 Meter - der "Raumverlust" erklärte sich wie folgt :
Vorhaltemaß von 0,5 m zur Außenkante der BP-Wand aufgrund der zahlreich vorhandenen Medienleitungen/Schachtbauwerke, die aus baubetrieblichen sowie statischen Gründen gewählten 150er Bohrpfähle, sowie die im Endzustand wirkenden Wasserkräfte Wanddicke von 0,4 m - Abweichung der Bohrpfähle aus dem Lot wurde zu 0,1 m, d.h. rd. 0,5 % vorgegeben (Norm schreibt Herstelltoleranzen von 0,1*D, also 0,15 m vor, d.h. hier wurde verschärfte Herstelltoleranz gefordert !)
Die hohen Qualitätsanforderungen wurden durch ein QM-Konzept, sowie stichprobenhaft mit Koden-Sonden überprüft (Vertikalitätsmessung im Bohrloch, ein Pfahlneigungsmessgerät welches im Casing die Abweichung von einem oberen zu einem unteren Punkt misst soweit ich weiß)

Regelbauweise mit Sonderlösungen stellte wie erwähnt die Deckelbauweise dar. In Sonderbereichen (u.a. Bereich der geplanten HH) wurde aufgrund der langen Bauzeit der Obergeschosse Teilbaugruben (was auch immer das heißt) errichtet um frühstmöglich durch Gründungssohle vorzustossen

Ebenfalls interessant ist der Heidelberger Verbau - dort wo die Nachbarbebauung nicht bis zur Unterkante des Kopfbalkens (quasi eine Art Ringanker für die Bohrpfahlwand ?) reichte wurde dieser ausgeführt - sieht eigentlich aus wie ein Steckträgerverbau, über T-Elemente oder andere Stahlprofile werden Fertigteilplatten versetzt zur Verbauwandachse eingebaut - soll heißen dass ich dort wo wie schon erwähnt die Nachbarbebauung nicht als Schalung dienen kann, der Heidelberger-Verbau als verlorene Schalung dient.

Aus bisherigen Erfahrungen für Gründungen n Frankfurt wurde die Länge der Bohrpfähle gestaffelt geplant - Primärpfähle reichten nur 1 m unter BGS, Sekundärpfähle (Gründungspfähle) hingegen reichten bis in die Frankfurter Kalke - weiter konnte so der Wasserdruck deutlich reduziert werden, es wurde verhindert dass im Endzustand die Gründung wie ein Wasserstauer wirkt (sich wie Grundwasserströmung durch das Sperrbauwerk aus BP aufstaut) - ebenfalls wurden in den Primärpfählen, den Gründungspfählen der HH und in jedem 4. Verbaupfahl Wärmeaustauschleitungen zur geothermischen Nutzung eingebaut.

Im Bereich des Bürohochhauses mussten etwa 46 MN maximale Stützenlasten in den Baugrund abgeleitet werden, bei rd. 845 Pfählen sah man Probebelastungen als probates Mittel an um eine kosteneffiziente Gründung zu erarbeiten. Hintergrund ist der dass der Grundbau mit entsprechenden Teilsicherheitsbeiwerten oft sehr "auf der sicheren Seite gerechnet wird", man mit real aus Probebelastungen ermittelten Werten für Pfahlspitzendruck/Pfahlmantelreibung wirtschaftlichere Gründungen rechnen kann.

Probemaßstab war hier 1:1, das Osterberg-Verfahren wurde für die Probebelastung herangezogen, ein Multi-Level Versuch ausgeführt um den Einfluss einer Mantelverpressung abschätzen zu können. In dem Artikel gehen sie sehr detailliert auf den Versuchsaufbau und die Ermittlung der Druck-Setzungslinie ein die ich mir hier sparen will.

Deckelbauweise

Üblicherweise dient bei dieser Deckelbauweise (die Amis nennen es top-down construction method) die oberste Decke (Deckel) der Aussteifung der Baugrube - bei dem Projekt wurde die Bauweise weiterentwickelt :

Der obere Deckel, Startdeckel, diente als Decke unter der Ebene -8,2 m. Dieser als untere Logistikebene bezeichnete Deckel diente der Andienung der Baustelle - aus statischen Gründen musste bevor der Aushub unter dem Deckel beginnen konnte zuerst die beiden darüber liegenden Geschosse (bis Ebene 0,0 hergestellt werden (ich nehme an da es ansonsten wegen dem Erdaushub zu zu großen Umlagerkräften auf den Deckel gekommen wäre) - diese Ebene wurde als Losgrenze bezeichnet, bezeichnendermaßen diente sie der Abgrenzung zu den Folgelosen und diente den nachfolgenden Rohbauern als Logistikebene.

Nach dem Abriss der Bestandsbebauung (Niveau -4,0 m) wurden von dieser Arbeitsebene aus sämtliche Verbau/Gründungspfähle hergestellt (das müsste dann heißen dass die Pfähle des Bestandsgebäudes teilweise noch im Boden waren ?) - die herzustellenden Bohrpfähle wurden 5-7m, im Einzelfall bis zu 11,5 m in den Kalk abgesetzt. Interessant dass alle Bohrungen bis zur OK Fundamentplatte verrohrt, darunter suspensionsgestützt waren. Der aus 550 Pfählen (überschnitten) bestehende Pfahlverbau diente auch als Gründung für die aufgehenden Bauteile.
Das Niveau des Startdeckeln von -8,2 m wurde in Abhängigkeit von der Randbebauung gewählt, bzw. des Straßenniveaus - grob notiert ist es so dass Gründungssohlen in einem gewissen Winkel ihre Kräfte an die Umgebung abgeben, auf dieser Ebene als die Kräfte eingeleitet und somit nach statischen Bewandnissen eine Aussteifung erforderlich ist - dort wo die Gründungssohlen hoch lagen, wurde einfach rückverankert. An der Zeil, wo wegen Leitungen/Tunnelbauwerken keine Rückverankerung möglich war, wurde ein Teildeckel ausgeführt - dieser trug die Erdlasten auf den Niveaus von 0,0 und -3,7 über eine Spannweite von rd. 80 m gegenüber den benachbarten Verbauwänden ab. In anderen Bereichen wurde die Aussteifung über Diagonal/Schrägabsteifungen bewerkstelligt.
Aufgrund der Andienbelastungen wurde der Deckel 45cm dick ausgeführt, lagerte sich auf 229 Primärpfähle auf (Raster 8,1*8,1) im Durchmesser 1,8 bzw. 2 m.

Bei diesen Primärstützen wurden endfertige Stahlbeton/Stahlbetonverbundstützen ( bis 75 to, 16 m lang, Betongüte bis B 95 !!!) mit der Bohrpfahlbewehrung gekoppelt und in die Löcher eingestellt - Tolerenzen von 2 cm in der Höhe und 5 cm in der Lage mussten eingehalten werden - Sehr eindrucksvoll !
War der Kopf der Primärstütze nach Lage und Höhe eingemessen, erfolgte die Ausrichtung der Stütze über einen Schlitten mittels Hydraulikpressen. Inklinometermessungen kontrollierten die Vertikalität, die Stützen waren somit in alle 3 Richtungen justiert und fixiert - Waren die Stützen ausgerichtet, wurden sie in das Casing verpresst (Hydraulikzylinder) und im Kontraktorverfahren betoniert - im Bereich der Felseinbindung (Gründungshorizont im Kalk) wurden sie zusätzlich Mantelverpresst.

Bis zum Niveau des Startdeckels wurden ca 150000 m³ Erdaushub abgefahren, der weitere unterirdische Aushub erfolgte in 2 Phasen :
Zunächst bis -14 m, die Decke hergestellt und anschließend bis zur BGS ausgehoben. Etwa 200000 m³ wurden über die Andienöffnungen gefördert. Die Baustellenlogistik erfolgte GPS-gestützt, bei bis zu 300 Fahrzeugen am Tag und den Platzverhältnissen wohl eine gute Entscheidung ... just in time wink.gif

Verbau Bereich Hotel-Hochbau

Eine besondere Herausforderung war die Integration eines Kabelkellers in Gründungs/Verbauentwurf, die Kabel mussten auch während des Baus in Betrieb bleiben - d.h. Baugrubenverbau unterhalb der Leitungspakete herzustellen, Abfangung der Hochhauslasten über dem Kabelkeller und in die Verbaupfähle eingeleitet werden - der Abstand zwischen den bewehrten Bohrpfählen musste hierbei auf 0,1 m reduziert werden - der Zwischenraum wurde über DSV-Zwickelinjektionen abgedichtet. Unterhalb der Leitungen musste der Verbau ebenfalls mit DSV gesichert werden ... d.h. Spaten für die Ansatzpunkte freilegen, auseinanderpflügen und Schutzrohre für den Ansatzpunkt/Abteufen des HDI-Gestänges.


Wasserhaltung

Trockenlegung/Haltung erfolgte über innenliegende Grundwasserhaltung - 25 gepumpte Förderbrunnen, 36 nicht gepumpte Entspannungsbohrungen - diese diente der Auftriebsicherung der Baugrube. Was ich nicht wusste ist dass die Baugrube wohl keine wasserdichte Sohle hatte, über die Bauzeit 6 Mio Mio m³ Wasser gepumpt wurden.


Ein ganz schönes Projekt das zeigt zuwas Baufirmen, Planer, bauausführende Ingenieure und was gesamte Baustellenpersonal in der Lage sein können und was erreichbar ist ! bearbeitet von Tom-ST
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